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Esslinger Mutmachgeschichten
Bauchaortenaneurysma: Eine tickende Zeitbombe

Ein Bauchaortenaneurysma scheint zunächst harmlos. Reißt das Gefäß aber, wird es akut lebensbedrohlich. Das Tückische: Die Erweiterung der Bauchschlagader bleibt oft lange unbemerkt. Umso wichtiger: Das Früherkennung-Ultraschallscreening kann Leben retten.

Die Bauchschlagader ist mit einem Durchmesser von bis zu 2,5 Zentimetern das größte Blutgefäß im Körper. Sie verläuft in einem Bogen vom Herzen durch den Brustraum und die Bauchhöhle, wo sie sich in die beiden Becken- und später in die Beinschlagadern verzweigt. Sie transportiert das sauerstoffreiche Blut in Kopf, Arme, Organe des Bauches und in die Beine. Ist die Aorta krankhaft erweitert, spricht man von einem Aneurysma.

„Häufig werden Bauchaortenaneurysmen bei Routineuntersuchungen als Zufallsbefund entdeckt, denn meist haben die Patienten keine Symptome“, erklärt Professor Dr. Stefan Krämer, Chefarzt der Klinik für diagnostische und interventionelle Radiologie und Nuklearmedizin am Klinikum Esslingen. „Die Hausärzte schicken die Patienten dann zu niedergelassenen Radiologen oder zu uns zur Abklärung.“ Details über die Größe und Gefährlichkeit eines Aortenaneurysmas liefern eine Computertomografie (CT) oder Magnetresonanztomografie (MRT) und eventuell eine Angiografie, also eine Darstellung der Gefäße.

„Ist die Bauchschlagader um mehr als 4 Zentimeter erweitert, empfehlen wir eine Verlaufskontrolle in einem Jahr“, berichtet Professor Krämer. „Bei über 5 Zentimetern besteht eine dringliche Indikation für eine Operation.“ Bei Dr. Klaus Otter ist die Bauchaorta um 6,7 Zentimeter erweitert. Der Fall ist klar: Der Rechtsanwalt aus Esslingen muss schnellstmöglich in den OP. „In der kurzen Zeit zwischen Diagnose und Operation war ich sehr beunruhigt“, berichtet Otter. „Ich hatte Angst, dass das Aneurysma platzen könnte. Mir war klar, dass ich dann in akuter Lebensgefahr schweben würde.“

„Mich traf die Diagnose wie ein Blitz“, erinnert sich Dr. Klaus Otter. Ende September 2018 geht der 85-Jährige, wie jedes Jahr, zur Vorsorgeuntersuchung. Bei der Ultraschalluntersuchung stellte der Arzt eine stark erweiterte Bauchaorta fest.

Männer über 65 sind am häufigsten betroffen

Etwa 250.000 Menschen erkranken in Deutschland jährlich an einem Aortenaneurysma im Bauchraum. „Das Risiko steigt mit dem Lebensalter“, so Dr. Ralf Hartenstein, niedergelassener Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie. „Die Gefäßwand wird mit den Jahren weniger elastisch.“ Bei der Hälfte der Betroffenen ist eine Gefäßverkalkung (Atherosklerose) die Ursache. Auch ein hoher Blutdruck (Hypertonie), bakterielle Infektionen, Fettstoffwechselstörungen und Diabetes mellitus sind Risikofaktoren. Männer sind wesentlich häufiger von einem Bauchaortenaneurysma betroffen als Frauen. Der wichtigste, vermeidbare Risikofaktor ist das Rauchen.

Viele Patienten bemerken ihr Leiden lange nicht. „Erst wenn ein Aneurysma so groß ist, dass es auf umgebende Strukturen drückt, treten Beschwerden auf“, so Dr. Hartenstein, „das können Rückenschmerzen mit Ausstrahlung in die Beine sein oder auch Verdauungsbeschwerden.“ „Menschen mit mittelgroßem, kontrollwürdigem Aneurysma dürfen nicht schwer heben und sollten lernen, unter Belastung richtig zu atmen“, rät der Arzt. Begleiterkrankungen wie Asthma oder eine chronische Bronchitis müssen behandelt werden, da Husten den Druck in den Gefäßen erhöht.

Dehnt sich ein Aneurysma zu stark aus, kann die Bauchschlagader plötzlich reißen. „Betroffene verspüren beim Einreißen oder ‚Platzen’ des Aneurysmas sehr starke Schmerzen im Brust- oder Bauchbereich, die in den Rücken ausstrahlen. Dazu kommen Übelkeit und Brechreiz. Die starken inneren Blutungen verursachen schnell einen Kreislaufschock“, so Professor Krämer. In dieser lebensbedrohlichen, hochakuten Notfallsituation ist eine sofortige Operation notwendig.

Offene Operation oder minimalinvasiver Eingriff

„Ein Bauchaortenaneurysma muss eindeutig operiert werden, wenn es einen Durchmesser von über 5 Zentimetern erreicht, da dann das Durchbruchrisiko deutlich zunimmt“, erklärt Dr. Ahmet Türk, Leitender Oberarzt der Klinik für Gefäß- und Thoraxchirurgie am Klinikum Esslingen. „Abhängig vom Ort und der Ausdehnung der Gefäßerweiterung und den anatomischen Gegebenheiten empfehlen wir entweder eine offene Operation mit großem Bauchschnitt oder einen minimalinvasivendovaskulären Eingriff. Dieser ist für den Patienten schonender. Dabei führen wir über die Leistenschlagadern Stentgraft- Prothesen in den erweiterten Abschnitt der Bauchschlagader ein, um eine innere Abdichtung oder eine Überbrückung des krankhaft erweiterten Gefäßabschnittes zu erzielen.“ Bei der offenen Operation entfernt der Gefäßchirurg über einen großen Bauchschnitt den erweiterten Teil der Arterienwand und ersetzt ihn auch hier durch eine entsprechende Gefäßprothese. „Wir bevorzugen das endovaskuläre Verfahren. Bei über 80 Prozent unserer Patienten wenden wir es erfolgreich an. Auch bei Herrn Otter wählten wir das endovaskuläre Verfahren, wodurch er sich deutlich schneller von der Operation erholen konnte. Offene Operationen müssen meistens bei bereits eingetretenem Durchbruch mit einer starken inneren Blutung durchgeführt werden, da hier das sofortige Ausklemmen der Bauchschlagader zur Kontrolle der Blutung nötig ist“, so Dr. Türk. Dr. Otters Operation verlief ohne Komplikationen. Seit der Operation hat er keinerlei Beschwerden mehr. Das Aneurysma hat sich inzwischen auf 4,7 Zentimeter verkleinert.

Ultraschall-Screening kann Leben retten

„Mir hat der Gesundheits-Check-up möglicherweise das Leben gerettet“, so Dr. Otter. Das Screening der Aorta ist als Vorsorgeleistung der gesetzlichen Krankenkasse für Männer ab 65 Jahren vorgesehen. Bei Risikofaktoren wie Rauchen, einer bekannten Koronaren Herzerkrankung, Bluthochdruck oder einer Atherosklerose der peripheren Gefäße sollte diese Vorsorgeuntersuchung auch bei unter 65-Jährigen erfolgen. „Frauen über 65 Jahre, die rauchen, haben ein stark erhöhtes Risiko und sollten gescreent werden“, empfiehlt Dr. Hartenstein. „Zudem kann jeder der Gefäßerkrankung vorbeugen: durch eine gesunde Ernährung, ausreichend Bewegung und vor allem: Nichtrauchen.“ Dr. Otter, der nie geraucht und immer viel Sport getrieben hat, sagt: „Ich rate allen, regelmäßig zur Vorsorge zu gehen. Ich bin sehr froh, dass ich die tickende Zeitbombe los bin.“

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