Klinik für
Neurologie und klinische Neurophysiologie

Medizinische Schwerpunkte
Multiple Sklerose

Multiple Sklerose ist die häufigste Autoimmunerkrankung des zentralen Nervensystems (= Gehirn und Rückenmark) bei jungen Menschen und die häufigste Ursache für Behinderung im jungen Erwachsenenalter.

Anhand von neuen Diagnosekriterien kann die Erkrankung schon in einem frühen Stadium diagnostiziert werden. Durch einen dann möglichen frühzeitigen Therapiebeginn und Medikamente der neuen Generation können die Krankheitsaktivität und das Auftreten einer Behinderung sehr gut verringert werden.

Neben der Behandlung von Schlaganfällen ist die Multiple Sklerose eines der am häufigsten in unserer Klinik behandelten Krankheitsbilder. Hierdurch besteht sowohl auf Seiten der Ärzte als auch im pflegerischen Team und bei den Therapeuten (Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie) eine hohe Expertise in Bezug auf diagnostische und therapeutischen Möglichkeiten.

Der Klinik stehen sämtliche diagnostische Verfahren als auch therapeutische Möglichkeiten zur Verfügung.   

Multiple Sklerose ist eine chronisch entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems, bei der das Hüllgewebe der Nervenfasen und letztendlich die Nervenfasern selber durch das eigene Immunsystem angegriffen werden. Da die Entzündungsherde im gesamten zentralen Nervensystem (Gehirn und Rückenmark) liegen, kommt es zu unterschiedlichsten neurologischen Symptomen.

In 85% der Fälle verläuft die Erkrankung zunächst schubförmig. Bei einem Schub bilden sich die Symptome nach Tagen bis meistens Wochen komplett oder zumindest teilweise zurück. 50% der schubförmigen Verläufe gehen nach 10 Jahren in einen sekundär progredienten Verlauf über mit schleichender Zunahme der neurologischen Defizite. Bei dem seltenen primär progredienten Verlauf (15% der Fälle) kommt es von Anfang an zu einer schleichenden Verschlechterung der Symptome ohne Schübe.

Die Ursache der Multiplen Sklerose ist bis heute nicht bekannt. Auf dem Boden einer genetischen Disposition wird sie durch äußere Faktoren getriggert. Hierbei spielen ein Vitamin D Mangel, eine EBV Erkrankung (Pfeiffer´sches Drüsenfieber) in der Vergangenheit, ein hoher Kochsalzgehalt der Ernährung sowie Rauchen eine Rolle.

Die ersten Symptome zeigen sich meistens in einem Alter zwischen 20 und 40. Häufige Symptome sind zu Beginn Sehstörungen, Sensibilitätsstörungen. Weitere Symptome im Verlauf sind z.B. eine vermehrte Tagesmüdigkeit (Fatigue), Doppelbilder, eine Blasenstörung, meistens im Sinne von erhöhtem Harndrang, eine Sprechstörung, eine vorzeitige Ermüdbarkeit der Beine beim Gehen und eine erhöhte Steifigkeit der Muskulatur, oft zunächst an den Beinen (Spastik).

In unserer Klinik ist das gesamte Spektrum diagnostischer Verfahren in Zusammenarbeit mit der Klinik für Radiologie und dem Liquorlabor vorhanden. Aufgrund von neuen Diagnosekriterien kann die Diagnose heute bereits in einem sehr frühen Stadium gestellt werden.

Die Diagnosestellung fußt auf folgenden Maßnahmen:

  • klinisch neurologische körperliche Untersuchung des Patienten
  • Kernspintomographie des Schädels und ggf. auch des Rückenmarks: Bei der Diagnose der Multiplen Sklerose zeigen sich hier Entzündungsherde in unterschiedlichen Lokalisationen und unterschiedlichen Alters.
  • Lumbalpunktion (Nervenwasserpunktion): bei dieser schaut man nach Zeichen einer chronischen Entzündung des zentralen Nervensystems
  • Ergänzende Diagnostik:
  • Elektrophysiologische Messung der Leitgeschwindigkeiten der Sehbahnen, sensibler und motorischer Nervenbahnen. Eine Verzögerung der Leitgeschwindigkeiten weist auf eine Schädigung dieser hin.
  • Je nach Bedarf zur Abklärung anderer Autoimmunerkrankungen weitere Untersuchungen, z.B. eine Röntgen-Untersuchung der Lunge.
  • Konsiliarische Vorstellung beim Augenarzt bei Sehnerventzündung, um andere Ursachen auszuschließen.

 

Durch einen frühzeitigen Therapiebeginn können sowohl die Krankheitsaktivität als auch das Fortschreiten der Behinderung positiv beeinflusst werden.

Die Behandlung der Multiplen Sklerose hat folgende Ziele:

  • Schubtherapie: hierbei soll die akute Entzündung gehemmt werden. Dies erfolgt zunächst mit einer hochdosierten intravenösen Cortisongabe (500-1000mg Methylprednisolon) über 3 bis 5 Tage. Bei fehlender Besserung der Symptomatik wird nochmals nach einem Intervall von 14 Tagen Cortison in noch höherer Dosierung von 2000mg über 5 Tage verabreicht. Bei weiterhin fehlendem Therapieerfolg kann nach einem erneuten Intervall von 14 Tagen eine Blutwäsche (Plamapherese oder Immunadsorption) im Einzelfall durchgeführt. Auch die Blutwäsche-Therapien führen wir hier im Klinikum Esslingen in Kooperation mit den Nephrologen unseres Hauses regelmäßig durch.
  • Verlaufsmodifizierende Therapie: auch zwischen den Schüben steht die Erkrankung nicht still. Ziel der sog. verlaufsmodifiziernden Therapie ist es, positiv auf die bestehende Entzündungsaktivität einzuwirken und damit die Krankheitsaktivität auch zwischen den Schüben gering zu halten, die Anzahl und Schwere der Schübe zu verringern und letztendlich das Ausmaß der Behinderung gut zu vermindern.

    Das erste verlaufsmodifizierende Medikament für die MS wurde 1995 mit Interferon (Betaferon) zugelassen. Zuvor standen nur Immunsuppressiva wie Azathioprin zur Verfügung. Beginnend mit der Zulassung von Natalizumab als Prophylaxe der MS wurde das Spektrum der zur Verfügung stehenden Medikamente im Verlauf um zahlreiche weitere monoklonale Antikörper erweitert.

    Die heute zugelassenen verlaufsmodifizierenden Prophylaxen der MS sind: Beta-Interferone, Glatirameracetat, Azathioprin, Natalizumab, Alemtuzumab, Fingolimod, Ozanimod, Siponimod, Ponesimod, Dimethylfumarat, Teriflunomid, Ocrelizumab, Cladribin, Ofatumumab und Mitoxantron. Bei diesen unterscheidet man zwischen Prophylaxen für milde und moderate Verläufe und solche für hochaktive Verläufe.
  • symptomatische Therapie: diese zielt darauf ab Symptome zu lindern und Komplikationen vorzubeugen (z.B. Behandlung einer Spastik oder Blasenstörung).

 

Von großer Bedeutung sind neben den medikamentösen Therapien begleitende Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie.

Auch andere Autoimmunerkrankungen des zentralen Nervensystems wie die Neuromyelitis optica Spektrumerkrankung (NMOSD), MOG-Encephalomyelitis sowie Autoimmunencephalitiden werden in unserer Abteilung behandelt.

Aufgrund der zunehmenden Sensitivität der diagnostischen Möglichkeiten werden diese auch in zunehmender Häufigkeit diagnostiziert, so dass auch bezüglich der Diagnostik und therapeutischen Möglichkeiten dieser Erkrankungen hier eine gute Expertise besteht.